Gesundheitsvorsorge lässt dem Bürger das Recht auf eigene Entscheidungen; der Begriff der Biosicherheit beschreibt dagegen die Pflicht des Bürgers zu gehorsamer Befolgung politischer Vorgaben.
Die notorische Behauptung war, die Kapazitäten der Krankenhäuser würden überfordert, das Gesundheitswesen würde zusammenbrechen. Im März 2020 behauptete Anthony Fauci, wir wüssten mit Sicherheit, dass Covid selbst bei bestem Verlauf zehnmal tödlicher sei als die Grippe. Die Impfung wurde als befreiende, geradezu heilige Handlung dargestellt; die Verweigerung wie ein Sakrileg verabscheut und verurteilt. Diese Leute wurden als schwere Bedrohung des anständigen Teils des Volkes markiert und verunglimpft.
Die Doppelmoral der selbsternannten Eliten ist unerträglich, erkennbar sofort in den vielen Situationen, in denen sie sich nicht an die eigenen Vorschriften gehalten haben.
Dass die im Schweinsgalopp unter Missachtung wissenschaftlicher Standards zusammengeschusterten „Impfstoffe“ bloß eine Notfallzulassung erteilt bekommen haben:
Das ist in der Bevölkerung bis heute weitgehend unbekannt geblieben oder wird einfach nicht geglaubt, weil es ja auch so unglaublich ist. Aber eine ehrliche Ansage dazu von Seiten der Verantwortlichen: Fehlanzeige.
Das reiht sich ein in die unzählbare Menge falscher Aussagen von Politikern, „Experten“ und Medien zu verschiedensten Aspekten der Corona-Krise – jetzt können sie nicht mehr zurück ohne schweren Gesichtsverlust. Insofern schützt die Aufrechterhaltung des Covidismus Politiker und Bürokraten des öffentlichen Gesundheitswesens. Indem sie sich weiterhin auf „COVID” berufen, um eine leichtgläubige Öffentlichkeit zu erschrecken, können die Panikmacher diese Metapher benutzen, um die öffentliche Wut über die Überreaktion der letzten drei Jahre und all die bleibenden Schäden, die die Menschen erst mit großer Verspätung erkennen, (vermeintlich) zu entschärfen.
Dennoch dachten sie auch nach dem – nun sogar von heiligen Kühen wie Christian Drosten verkündeten – Ende dieser „Pandemie“ bereits 2022 nicht daran, die endgültige Renormalisierung zu vollziehen. Das bedeutet: Spätestens damit steht fest, dass man für „Corona-Maßnahmen“ nicht einmal mehr Corona braucht. Die Aufrechterhaltung der hohlen Rituale und Alltagsschikanen gelingt auf der Grundlage der konsequenten mentalen Prägung durch Angst und Besorgnis mühelos. Die von politischer und medialer Seite gezielt geschaffene Angst vor einem Virus, hat, unterstützt von drei Jahren Vertuschungen und entsetzlichen Lügen, die bis heute andauern, eine intellektuell absurde Reaktion bewirkt. In solcher Coronoia ist völlig aus dem Wissen geraten, dass Pandemien prinzipiell selbstlimitierend sind.
Eine unausweichliche und vorhersehbare Folge unsinniger Maßnahmen – die häufigeren Infektionen der vergangenen Winter – mussten nun als Argument zur Verlängerung dieser Maßnahmen herhalten. Erst ruiniert man durch Masken-, Hygiene- und Abstandsregeln vorsätzlich die Immunabwehr und damit die Volksgesundheit – und dann sollen ausgerechnet Masken-, Hygiene- und Abstandsregeln weiterleiten, um genau deren Auswirkungen zu lindern!
Schon im Mai 2020 hat der Philosoph Giorgio Agamben in seinem Essay „Biosicherheit und Politik“ vor den Folgen des Totalitarismus gewarnt, der unter Verweis auf die angebliche Bedrohung der Gesellschaft durch das Virus ungehemmt eingeführt wurde. Es soll durch künstlich erzeugte Panikzustände „ein völlig neues Paradigma geschaffen werden, wie Menschen und Dinge zu regieren seien.“
Stichwort Sicherheit: Die offizielle Darstellung, soweit sie überhaupt mal die Grundlagen des Geschehens ins Auge fasste, wurde rasch auf den Dualismus – und vor allem den Konflikt – zwischen Sicherheit und Freiheit reduziert. Man müsse halt nun mal die Freiheit stark einschränken, um Sicherheit zu gewinnen, aber selbstverständlich geschehe das alles nur wohlmeinend und fürsorglich. Dabei hat Ernst Wolfgang Böckenförde die klassisch gewordene Feststellung getroffen: „Der freiheitliche säkulare Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Und Benjamin Franklin hat es vor schon 250 Jahren auf den Punkt gebracht: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“
So ist Freiheit zu einem Privileg für Gehorsame, Angepasste verkommen. Die bittere Erkenntnis der Geschehnisse ist, dass wir Freiheit nie als selbstverständlich hinnehmen und sie auch niemals den Hirnen einer Gruppe von Experten überlassen dürfen, vor allem, wenn diese mit Macht ausgestattet sind. Wir sollten nie unsere Wachsamkeit vernachlässigen.
Ein Begriff, an dem der mentale Wandel unter dem Einfluss des strikten Framings besonders erkennbar wird, ist „Solidarität“. Er wurde verwendet, um das Verhalten (und damit das Denken) von Menschen nicht nur sozial, sondern moralisch zu bewerten. Wer nicht zu willenloser Befolgung der Vorschriften bereit war, wurde zum Feind, zur Bedrohung deklariert, zu verachtenswertem Ausschuss, der zur Denunziation freigegeben war. So kann durch den Einsatz eines Begriffes als Moralkeule Wohlverhalten erzwungen werden.
Dabei muss man – nur ganz geringfügig pointiert – zwei Fragen stellen:
1. Welche der dramatischen Prognosen und Warnungen der Befürworter der Corona-Maßnahmen sind tatsächlich eingetreten?
2. Welche der Warnungen der Gegner der Corona-Maßnahmen sind tatsächlich nicht eingetreten?
Sofern man diese Fragen unvoreingenommen und anhand der Daten prüft, bleibt nur eine Schlussfolgerung: Die Bilanz ist wahrhaftig ernüchternd – und sie muss Konsequenzen haben.
So stellt sich drängend die Frage, wie es möglich war, dass ganze Völker sich weitgehend widerstandslos einem System von Täuschung, Bevormundung, Freiheitsentzug und Entrechtung unterwerfen konnten. Antworten lassen sich in Erkenntnissen der Psychologie finden.
Paul Watzlawik hat am Beispiel der Überlegung: „Wie entsteht Wirklichkeit: ist das das, was da draußen in der Realität ist oder bildet sich das aus der Interaktion zwischen der Realität und meinem subjektiven Befinden?“ die Bedeutung der Suggestion beschrieben. Und „willing suspension of disbelief“ (das freiwillige Ausschalten allen Zweifels) hat Samuel Taylor Coleridge die Bereitschaft genannt, sich – auch gegen eigene Besorgnis – den Vorgaben von „Experten“ (oder was man dafür hält) zu unterwerfen.
Aus der Massenpsychologie sind die Faktoren bekannt, auf deren Grundlage Menschen sich vor allem als Kollektiv beeinflussen lassen:
⏩ Bindungslosigkeit
⏩ Sinnlosigkeit
⏩ Angst
⏩ Stress
Gerade in der Masse wird es für den Einzelnen schwer, seinen abweichenden Standpunkt zu vertreten. Das hat z.B. Solomon Asch 1951 in seinen Konformitätsexperimenten gezeigt, in denen Probanden sich den Aussagen der anderen anschlossen, obwohl sie von deren Unrichtigkeit überzeugt waren. Das beschreibt den klassischen Irrtum, dass Mehrheit mit Wahrheit verwechselt wird. Genau dies ist bei Corona massenhaft geschehen. Was Tagesschau, Heute Journal, FAZ, Süddeutsche & Co. bringen, kann doch nur richtig sein – es sagen doch alle. Ja, es sagen alle das Gleiche, und darin lag ein Grundproblem der Auseinandersetzung mit den Fragen, die sich gestellt haben – soweit eine Auseinandersetzung denn überhaupt stattfand.
Wie weit das gehen kann, hat Stanley Milgram ab 1961 in seinen Experimenten nachgewiesen, die äußerst weitreichende Bedeutung haben. Die wesentliche Erkenntnis ist, dass ganz gewöhnliche Menschen durchaus unter dem Einfluss einer als Autorität akzeptierten Persönlichkeit zu grausamen Handlungen bereit und fähig sind und sie in der Mehrzahl in willigem Gehorsam selbst Dinge tun, die ihnen zuwider sind.
Der Psychologe Mattias Desmet beschreibt das Phänomen unbedachter Anpassung: „Die Einführung einer wahrgenommenen Bedrohung, insbesondere des „unsichtbaren Feindes“ des Virus, bringt die Menschen dazu, sich zu einer neuen Gruppe zusammenzuschließen, um diesen gemeinsamen Feind zu bekämpfen. Auf diese Weise bildet sich eine Gruppenidentität. Die Einführung ritualisierter Verhaltensweisen, wie z. B. das Tragen von Masken, das Gehen im Abstand von drei Metern und das Anstehen in Geschäften, verstärken die neue kultähnliche Gruppenidentität. Dadurch wird jegliches kritische Denken außer Kraft gesetzt und blinder Gehorsam ist die Folge. Im Grunde genommen haben wir es mit einer Art Gruppenhypnose zu tun. Etwa ein Drittel der Menschen befindet sich in Trance, ein Drittel macht aus Zwang mit, und ein Drittel ist hellwach und leistet vollen Widerstand.“
„Eine der traurigsten Lektionen der Geschichte ist diese: Wenn wir lange genug angelogen wurden, neigen wir dazu, Beweise für den Schwindel abzulehnen. Wir sind nicht mehr daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden. Der Schwindel hat uns gefangen genommen. Es ist einfach zu schmerzhaft, um selbst anzuerkennen, dass wir hochgenommen wurden.“ (Carl Sagan).
Wer sich x-mal hat impfen lassen, aus Angst vor einer vermeintlich äußerst gefährlichen Infektion, kann jetzt aus Gründen der Selbstachtung kaum zu der Einsicht gelangen, dies sei eine falsche Entscheidung gewesen, er sei einem Irrtum erlegen. Auch wenn manchmal Denkfaulheit eine Rolle gespielt haben mag oder Bequemlichkeit und Anpassung über das Gewissen gestellt wurden – Opportunismus war wohl das geringere Problem als der moralische Rigorismus vieler Politiker, von Vertretern der Medien und großer Teile der Gesellschaft, die, absolut von sich selbst und ihrer eigenen Vortrefflichkeit überzeugt, jeden Dissidenten der Häresie beschuldigt haben. Die Einseitigkeit, Unehrlichkeit und Verdrängung in der Präsentation der Sichtweise auf Corona hat jeden aufrichtigen und nach Wahrheit suchenden Diskurs unmöglich gemacht. In selbstherrlicher Gewissheit, frei von jeder Demut, wie offenes Denken sie gebieten würde, wurden Warnungen und Kritik nicht nur ignoriert, sondern heftig bestritten und denunziert.
Dabei lässt sich in der Rückschau auf drei Jahre Corona kaum noch eine einzige Befürchtung der Maßnahmenkritiker finden, die nicht zur Realität geworden ist. Jürgen Habermas hat darauf hingewiesen, dass die wichtigste Tugend des Intellektuellen die argwöhnische Sensibilität und die ängstliche Antizipation von Gefahren sei. So gesehen haben die Kritiker tatsächlich einen gesellschaftlichen Auftrag wahrgenommen. Wer wegschaut, macht sich mitschuldig.
Ein freier, fairer Diskurs hätte durch Beteiligung vielfältiger Standpunkte und den Austausch sachlicher Argumente frühzeitig Fehlentwicklungen erkennen und Fehlentscheidungen vermeiden lassen. Stattdessen wurde die offizielle politische Darstellung zum Dogma – das war nicht Wissenschaft, sondern Ideologie, Dogma statt Diskurs. Argumente wurden durch Emotionen ersetzt und verdrängt – wo bleibt dann die Wahrheit? Wo, vor allem, bleibt sie, wenn jede Form abweichender Sichtweisen nicht mehr als reguläre Opposition, sondern als unerlaubte, ja verdammenswerte Erscheinung verurteilt wird? Wir haben erlebt, dass Wahrheit das ist, was eine Nomenklatura dafür hält.
In der gesamten Corona-Geschichte gab es keine Transparenz, keine demokratische Kontrolle, keinen freien Diskurs, sondern gezielte Verschleierung, massive Vermischung ökonomischer Interessen mit politischen Zielen, noch mehr Lobbyismus und Macht in globalen Konzernen, die Öffentlichkeit wurde in kaum je erlebtem Maß medial beeinflusst, gesellschaftliche und politische Einflussnahme war grundlegend massiv eingeschränkt.
John F. Kennedy: „Ohne Debatte, ohne Kritik kann keine Regierung und kein Land erfolgreich sein, und keine Republik kann überleben.“ – „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine“, schrieb Helmut Schmidt. Und Marion Gräfin Dönhoff: „ ...abweichende Ideen nicht zu diffamieren und Kritik an Bestehendem nicht als Ketzerei zu verfolgen, sondern die Mehrheiten zu schützen und Offenheit zum Gegensätzlichen zu praktizieren.“
Karl Jaspers beschreibt die Hybris vermeintlicher Experten, wie wir sie sattsam erlebt haben: „… die Haltung des Bescheidwissens, die Zufriedenheit mit bloßer Plausibilität, der Trotz kritiklosen Sehens und Behauptens, die Unfähigkeit zu wirklicher Untersuchung, zum Hören, Erwägen, Prüfen und zum grundsätzlichen Sichbesinnen. … Erst diese Glaubensgewissheit ermöglicht den modernen Fanatismus, der nicht auf Glauben, sondern auf Wissenschaft pocht und dem Gegner Dummheit vorwirft oder bösen Willen …“
Das beschreibt exakt die intellektuelle Enge und (dennoch) zufriedene Selbstgewissheit nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch bei den Leuten, die sich für fachlich fähig halten, die Vorgänge bei Corona zu beurteilen – und die das tatsächlich können müssten, sich den gebotenen Einsichten aber verweigern. Keine abweichende Sichtweise wird gelten gelassen, als gäbe es die eine, einzige Wahrheit, und man müsse sie ohne jeden Zweifel übernehmen. Im Grunde ist das magisches Denken, fernab jeder Rationalität. Manche zeigen trotz all ihrer offensichtlichen Fehleinschätzungen noch immer keinerlei Einsicht oder gar Verständnis für ihre Kritiker. Und manche glauben sogar, die „Schutzmaßnahmen“ zu locker genommen zu haben. Zu einer Bitte um Verzeihung konnte sich kein einziger der Prominenten durchringen; auch Jens Spahn nicht, der zwar ein Buch mit solchem Titel geschrieben hat, aber dem Irrtum unterliegt, „wir müssten uns in Vielem um Verzeihung bitten“. Er uns sehr wohl – aber wofür sollte ich ihn im Verzeihung bitten müssen?
John Rawls hat sich lebenslang mit Fragen der Gerechtigkeit befasst: „Jeder Mensch besitzt eine aus der Gerechtigkeit entspringende Unverletzlichkeit, die auch im Namen des Wohles der ganzen Gesellschaft nicht aufgehoben werden kann.“ Das begrenzt den gerne bemühten Utilitarismus, wonach das Wohl einer möglichst großen Gruppe Vorrang vor den Rechten des Einzelnen habe. Wenn die Vorschriften doch wenigstens einer großen Zahl von Menschen geholfen hätten. Und was die Unverletzlichkeit des Bürgers betrifft: Seit drei Jahren ist sie in einem Maß aufgehoben, das man in größten Befürchtungen sich kaum hätte vorstellen können.
Der politisch verordnete Kollektivismus und die ideologische Einseitigkeit der letzten drei Jahre hat dialektisches Denken schwer behindert. Wenn man die Vitalität einer demokratischen Gesellschaft messen müsste, wäre unweigerlich der Grad ihrer Gesprächsintensität ein verlässliches Maß. Gespräche, Diskussionen, gesitteter Streit in gegenseitiger Rücksichtnahme sind Ausdruck einer freien Gesellschaft. Eine Demokratie ohne funktionierende Opposition ist keine.
Es erscheint völlig daneben, Stalins Aussage zu betrachten: „Gedanken sind mächtiger als Waffen. Wir erlauben es unseren Bürgern nicht, Waffen zu führen – warum sollten wir es ihnen erlauben, selbständig zu denken?“ Aber: wie weit war es bei Corona dem Einzelnen erlaubt, selbständig zu denken? Oswald Spengler schreibt inDerUntergangdesAbendlandes: „Einst durfte man nicht wagen, frei zu denken; jetzt darf man es, aber man kann es nicht mehr. Man will nur noch denken, was man wollen soll, und eben das empfindet man als seine Freiheit.“ So weit kann Selbstwahrnehmung verhindert werden.
Folgerichtig wehren sich diejenigen, die sich kritisches Denken bewahrt haben. „Wenn Institutionen anrüchig werden, geht die sittliche Verantwortung auf den Einzelnen über, und zwar auf den ungebrochenen Einzelnen.“, schreibt Ernst Jünger in seinem EssayDerWaldgang. Es gibt eine Verpflichtung zur Wahrheit – durch das Gewissen.
„Freiheit beginnt, wo Ideologie endet.“ (Lilly Gebert). Wie frei waren wir (und sind es heute) wirklich, offen und ungefährdet zu sagen, was wir denken? Jegliche Kritik an den Corona-Vorschriften wird als Häresie gebrandmarkt. Die Macht der Sprache wurde in gezieltem Framing deutlich, politische Stellungnahmen erfüllten jeden Aspekt von Propaganda: Schwurbler, Covidioten, Corona-Leugner, Unsolidarische, Gefährder, Impfgegner. Die Kreativität in den Beschimpfungen ist beeindruckend. Die Falschheit allerdings auch: Man ist kein Impfgegner, wenn man ausschließlich gegen die Corona- Impfung ist, die anderen aber in sich hat; allein an diesem Beispiel offenbart sich der Blödsinn solcher Sottisen.
Auch der Wandel des Begriffes Querdenker ist erhellend. Das Wort stand mal für stille Bewunderung eines Menschen, der fähig ist zu unkonventionellem, kreativem Denken, neugierig, erfinderisch; lange vorbei. Sehr schnell wurde die negative Konnotation hergestellt, die heute das Bild prägt. Dabei müsste gelten: Lieber Querdenker als Nicht-Denker.
Es geht noch viel weiter. Die erlebte Verrohung betrifft nicht nur die Kommunikation; auch das Verhalten wird be- und verurteilt, nach höchst eigenwilligen moralischen Maßstäben. Nachdem die Masken das scheinbar untrügliche äußerliche Erkennungsmerkmal für braven bürgerlichen Gehorsam waren, brachte jeder mit nonkonformem Verhalten sich nicht bloß ins Abseits, sondern wurde wie ein Aussätziger behandelt. Es blieb nicht bei Verachtung: Stadtverwaltungen richteten offizielle Internet-Seiten zum erklärten Zweck der Denunziation ein, zu der auch dezidiert aufgefordert wurde. Das fördert fraglos die Blockwart-Mentalität, von der niemand denken sollte, sie sei ein Spezifikum aus Nazi-Zeiten; diese Haltung ist keineswegs ausgestorben.
Bahnschaffner, Geschäftsführer und leitende Angestellte, Vorgesetzte aller Art sowie tatsächliche oder nur eingebildete Machthaber in jeder noch so unbedeutenden Position haben die Regeln, wie absurd, rechtswidrig und nutzlos sie auch waren, rigide durchgesetzt. Rücksichtslos, brutal, immer mit dem Dünkel der Überlegenheit versehen, haben sie sich zum Vollstrecker staatlicher Willkür gemacht. „Denunziation ist die Pflicht der Patrioten” – man mag es nicht glauben. Einige unserer Enkel gehen in Schulen, in denen mehrere Schüler eine rote Weste übergezogen bekamen, um als Aufsichtspersonen jene Mitschüler zu melden (das nannte man mal verpetzen), welche die Maske nicht korrekt tragen. Von dem Schwachsinn abgesehen, Kindern überhaupt Masken aufzuzwingen, noch dazu im Freien: das ist 1984 oder Brave New World. Eine unserer Töchter, ohne Maske im Laden, hörte von einem anderen Kunden: "Ich wünsche Ihnen Corona an den Hals". Homo homini lupus.
Atteste – ein medizinisches Dokument mit persönlichen Daten – genießen keinen Datenschutz mehr, die Diagnose muss darauf nach entsprechender Verordnung offen genannt werden, jeder Filialleiter darf über die Validität dieses Dokumentes (das er gar nicht beurteilen kann) entscheiden.
Die Unaufrichtigkeit und Verlogenheit im Umgang mit Kritikern zeigt ich eindrucksvoll an den Protesten in China gegen die Lockdown-Vorschriften: die Menschen dort wurden gelobt, ihr Widerstand für unbedingt erforderlich gehalten – die inhaltlich gleichartigen Proteste in Deutschland indes wurden von Beginn an verurteilt, die betreffenden Personen denunziert und bei Demonstrationen behindert und attackiert. Der eigentliche Skandal besteht in der Skandalisierung und Dämonisierung der Kritiker durch die „Rechtgläubigen“.
Mehr noch: In einem billigen, aber weitest verbreiteten Reflex werden diese Dissidenten völlig ohne inhaltlichen Zusammenhang, aber sehr beliebt, pauschal als „Rechte“, „Verschwörungstheoretiker“ „FlatEarther”, Esoteriker, Aluhut-Träger, Nazis verunglimpft – als ob kritisches Denken zu einem konkreten Vorgang gleich eine solche Etikettierung zuließe. Solche primitiven Vorurteile sind ein intellektuelles Armutszeugnis. Wird der Bürger unbequem, ist er plötzlich rechtsextrem. Wie falsch dieses Schubladendenken (Denken?) ist, erbrachte eine Studie der Universität Basel, in der nachgewiesen wurde, dass die Menschen in den Demokratie- Aktionen nicht vom politischen Rand, sondern aus der Mitte der Gesellschaft kamen, ganz normale Leute, die sich keinem politischen Spektrum eindeutig zuordnen lassen. Ein weiterer, wichtiger Befund war, dass die Demonstranten sich fast durchweg gewaltlos verhielten. Infolge des gängigen Framings ist diese Tatsache völlig aus dem Blick geraten. Es war ein Kennzeichen der Querdenken-Bewegung, dass bei Eröffnung jeder Demonstration der dezidierte Aufruf an die Teilnehmer erfolgte, dass jede Form von Gewalt, Extremismus, Rassismus und Antisemitismus abgelehnt wird.
Hass und Hetze: Auch dies gehört zu den üblich gewordenen Vorwürfen gegen die Dissidenten. Sowas gibt es angeblich bloß bei Rechten und Rechtsextremen. Umgekehrt wurde über Corona-Kritiker in den letzten drei Jahren natürlich immer äußerst einfühlsam, sehr sachlich und rücksichtsvoll berichtet. In Wahrheit erfüllen manche Darstellungen durchaus das Maß von Volksverhetzung.
So wie der Verfall unserer Gesellschaft und ihrer Werte von der Nachgiebigkeit einer ausreichenden Zahl von Menschen abhängt, so gelingt seine Umkehrung nur durch Unnachgiebigkeit, durch Zivilcourage. Wenn die nach dem Gewissen bessere Handlungsweise denjenigen belastet, der sie wählt, hat er nur noch die Wahl, sich mitschuldig zu machen oder mutig zu sein. Das ist der Preis des Widerstands. Viele haben ihn bitter bezahlt, aber im Ganzen waren zu wenige bereit, ihn auf sich zu nehmen.
Das ist es, was mich so beunruhigt und erschreckt: Die tiefe Spaltung in unserer Gesellschaft. Da werden qua Dekret weitestreichende Einschränkungen in Rechte, sogar Grundrechte, vorgenommen – und die überwiegende Mehrheit lässt das widerstandslos mit sich machen; mehr noch, hält es für notwendig und gut, ungeachtet der Flut von Daten, welche die Maßnahmen zumindest in dieser Form für unbegründet, völlig überzogen und in Teilen für schwer schädigend erkennen lassen. Dennoch wird die Gruppe von Menschen, welche dies artikulieren, mit zerstörerischer Feindseligkeit überzogen.
Was für ein Irrsinn, dass wertvolle Beziehungen zerstört wurden aufgrund völlig unhaltbarer Darstellungen von Dingen, die so nicht bestehen, teilweise komplett unwahr sind und rein politischer Zielsetzung unterliegen, getrieben von Propaganda und massiven medialen Kampagnen. Wie kann es sein, dass wir es nicht schaffen, diese Verlogenheit aus persönlichen Beziehungen fernzuhalten?
Die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot hat den bedenkenswerten Umgang mit Werten dargestellt: „In der Corona-Krise will man um jeden Preis Leben retten und opfert dafür die Freiheit. Im Ukraine-Krieg will man um jeden Preis die Freiheit retten und opfert dafür Leben. In beiden Krisen gilt als moralisches Verhalten, Andersmeinenden die Moral abzusprechen.“
Henryk M. Broder wird sehr viel deutlicher: „Wenn ihr euch fragt, wie das damals passieren konnte: Weil sie damals so waren, wie ihr heute seid.“ Niemand mag sich das gerne sagen lassen – aber ohne Aufrichtigkeit wird unsere Gesellschaft erneut schuldig werden. die allgemeine Neigung, zu verdrängen und verleugnen, wie früher, birgt die große Gefahr der Wiederholung. Immerhin hat letztlich jede sogenannte Verschwörungstheorie der Corona-Kritiker sich bewahrheitet.
Eine sorgfältige, ehrliche und umfassende Aufarbeitung ist unerlässlich. Sie muss schonungslos sein. Laut einer Umfrage der ZEIT wünschen 58 Prozent der Deutschen, dass „der Bundestag eine Kommission zur Aufarbeitung von Fehlentscheidungen während der Pandemie einsetzen würde“. Es ist jedoch zu befürchten, dass aufgrund dessen, was als „erlernte Hilflosigkeit“ bezeichnet wird, die meisten Menschen keine Rechenschaft für den Betrug der letzten drei Jahre fordern werden.
„Ohne Trauer kein Aufbruch zu Neuem“ (Alexander Mitscherlich).
Es wäre spannend und aufschlussreich, was Hannah Arendt über das Eindringen des Staates in das Privatleben von Einzelpersonen und Familien in den drei Jahren von 2020 bis 2022 zu sagen hätte. Die weitgehend widerstandslose Akzeptanz von Zwangsisolierung, massivem Druck zu dieser Impfung und anderen Formen der Freiheitsberaubung als angeblich notwendige Instrumente der öffentlichen Gesundheit ließ die Zerstörung des Privatlebens zu einer weltweit akzeptierten Norm erheben.
Der Präzedenzfall, der hier geschaffen wurde, bereitet totalitären Eingriffen gleicher Art bei der nächsten Infektionswelle (die dann auch wieder mühelos zur Pandemie erklärt werden wird) den Boden. Der schwerwiegende Verlust an persönlicher und politischer Autonomie, zu dem solche schweren Übergriffe des Staates zwangsläufig (wörtlich: zwangsläufig) führen, ist offenkundig nur den wenigsten Menschen ins Bewusstsein gedrungen.
Dabei gilt der Appell von Timothy Snyder: „Sich abheben – in dem Moment, in dem man ein Beispiel gibt, ist der Bann des Status quo gebrochen.“ Ob unsere Gesellschaft bei der mit Sicherheit kommenden Wiederholung solcher Totalitarismen die Kraft zum Widerstand entwickeln wird – die Hoffnung ist gering.